HERAUSFORDERUNG

Eine Hürde für die systematische quantitative Erfassung und Auswertung radiologischer Daten stellt die Tatsache dar, dass die klassische Befundung radiologischer Daten im Freitext erfolgt. Freitextbefunde sind der maschinellen Auswertung in großen Stückzahlen aber nicht zugänglich.

Seit einigen Jahren hat sich in der Radiologie daher die Vorgehensweise der sogenannten „strukturierten Befundung“ etabliert. „Strukturierte Befundung“ ist ein Paradigma für die Erfassung, Archivierung und Verarbeitung von medizinischen Daten, das sich dadurch auszeichnet, dass jeder Befund und Messwert zu jeder Zeit mit Metainformationen verknüpft ist, die eindeutig und reproduzierbar definieren, wie dieser Befund erhoben, quantifiziert oder aus anderen Daten abgeleitet wird.

Diese strukturierte Datenhaltung schafft die Voraussetzung, radiologische Befunde in großen Zahlen und in Echtzeit zu verarbeiten, statistisch auszuwerten (einschließlich der Zuführung zu modernen Analysemethoden wie Machine Learning und Data Mining) sowie mit anderen Datenquellen zusammenzuführen.

MOTIVATION

Schon frühzeitig im Verlauf der COVID-19-Pandemie zeigte sich, dass radiologischen Daten eine Schlüsselrolle in der Diagnostik und Verlaufsbeurteilung zukommt.

Die Mehrzahl schwerer Krankheitsfälle weist eine Lungenbeteiligung auf, und radiologische Befunde erlauben eine differenzierte Beschreibung des Krankheitsverlaufs.

Die Beurteilung von Lungenbeteiligungen spiegelte sich in den bisherigen Phasen der Krisenbewältigung der COVID-19 Pandemie in allen nationalen Gesundheitssystemen wieder. Radiologische Bildgebung kann pandemische Lungeninfektionen erkennen, bewerten, messen, nachverfolgen und zugrunde liegende Risikofaktoren benennen.

Die Radiologie steht damit an der Pforte zum Gesundheitswesen und dient bei der Therapieüberwachung als Entscheidungswerkzeug und Messinstrument.


Wie sieht die Lösung aus?

    RACOON wird als weltweit erstes Projekt dieser Größenordnung eine landesweite Infrastruktur zur konsequent strukturierten Erfassung radiologischer Daten von COVID-19-Fällen errichten, an die sich künftig zahlreiche Mehrwertdienste anschließen werden – beispielsweise epidemiologische Frühwarnsysteme oder medizinische Assistenzsysteme auf Basis künstlicher Intelligenz. RACOON bedient sich dabei einer Technologie, die die strukturierte Erfassung ab initio ermöglicht, d.h. jeder Messwert wird bereits im Augenblick seines Entstehens durch einen Radiologen mit Kontextinformationen annotiert, die seine klinische Bedeutung definieren und so die Nachvollziehbarkeit, Qualität und langfristige Verwertbarkeit gewährleisten.

      Welcher Mehrwert wird generiert?

      • Erstens stellen die bundesweit erhobenen, nahezu in Echtzeit befundeten, analysierten und zusammengetragenen Daten zu COVID-19-verdächtigen Pneumoniefällen eine wertvolle Entscheidungsgrundlage für epidemiologische Studien, Lageeinschätzungen und Frühwarnmechanismen dar. Mögliche Erkrankungswellen können frühzeitig erkannt und in ihrer Signifikanz beurteilt werden, auch ein langfristiges passives Monitoring ist möglich. Dies kann in dieser Breite und Nachhaltigkeit durch alternative, aktiv betriebene Testkampagnen nur eingeschränkt gewährleistet werden. Forschungsgruppen werden auf Basis des RACOON-Datenbestands die Daten weiter aufbereiten, um “actionable insights” für Politik und Gesundheitswesen zu gewinnen.
      • Zweitens generiert RACOON “science-ready”-Datenprodukte, die aufgrund eines vereinheitlichten Datenmodells und nachhaltiger Qualitätssicherungsmechanismen eine ideale Grundlage für wissenschaftliche Studien darstellen, die Wirkmechanismen der Krankheit und relevante Einflussfaktoren untersuchen und Erkenntnisse zu Risikofaktoren und Therapieansätzen ableiten. Die hochstrukturierten Daten eignen sich auch ideal zum Training Künstlicher Intelligenz, so dass Assistenzfunktionen geschaffen werden können, die Abläufe von der einzelnen Befundung bis zur Kapazitätsplanung im Gesundheitswesen unterstützen. Davon profitieren zunächst Forschende mit innovativen Ansätzen, denen jedoch der eigene Zugang zu ausreichend großen Patient*innenkohorten fehlt; mittelbar fließen die Ergebnisse erfolgreicher Studien in das Gesundheitswesen zurück und verbessern die Behandlungsqualität aller Patient*innen.